Katharina Lankers
Autorin

(erschienen März 2019. Alle weiteren Infos zum Roman gibt es hier)
© 2019   

Woanders blühen die Kastanien

Leseprobe

Karnevalsfreitag, 5:20 morgens

Eine hässliche Pfütze breitete sich auf dem Tisch aus, als ich zitternd versuchte, mein Wasserglas mit noch mehr Whisky zu füllen. Pass auf, Maggie, flüsterte eine ganz klein zusammengeschrumpelte Margareta in meinem Hinterhirn. Schieß dich nicht komplett ab, du wirst es bereuen! Ich konnte nicht anders als verächtlich zu lachen. Bereuen? Was hatte ich denn noch zu verlieren? Mit wirrem Haar und schmutzigen nackten Füßen saß ich hier am Küchentisch, auf den die trübe Deckenlampe ein paar lustlose Photonen spuckte. Der stechende Geruch des Whiskys schaffte es nicht, die Zanni-Diavoloff-Schwaden zu übertönen, die noch im Treppenhaus herum waberten, obwohl Martin samt Duftwolke schon vor mindestens einer Viertelstunde in seiner Kellerhöhle verschwunden war.

Durch die kaputte Glasscheibe an der Haustür wehte ein kalter Wind und drückte den nassen Saum der Pyjamahose an meine eiskalten Beine. Ich zupfte mir ein paar Grashalme von den Knöcheln und kippte einen weiteren großen Schluck meine brennende Kehle hinunter. Maggie, was tust du? Willst du etwa so deinen Kindern gegenübertreten? Am liebsten hätte ich die penetrante Oberlehrer-Margareta in einer tosenden Whisky-Flut ertränkt, aber ein winziger Funke Verstand rappelte sich auf und befahl mir, das Glas abzustellen. Wenigstens hatten die Mädchen offenbar nichts von dem Radau hier unten mitbekommen und schliefen fest. Mit etwas Glück hatte ich noch eine Stunde Zeit, bis sie aufwachten, um mich halbwegs zu fassen und zumindest oberflächlich die Spuren der Katastrophe zu beseitigen. Und dann?

Die Scherben im Flur würde ich vielleicht wegkehren können. Der Scherbenhaufen meiner Ehe dagegen, der den gesamten Boden unter meinen kalten Füßen zu bedecken schien, machte mir unmissverständlich klar, dass es kein Zurück mehr gab. Kein Zurück – doch auch vor mir tat sich nichts als eine unendliche Leere auf.

 
 

Drei Monate vorher…

 Dezember

Langsam umfuhr sein Finger das rosige Fleisch. Liebkosend tastete er sich an einer Wölbung entlang, wanderte auf der hell schimmernden Haut nach oben, strich sanft über seidenweichen Flaum. Nach kurzem Innehalten folgte er genüsslich einer fein geschwungenen Linie und tauchte dann in einen lockenden Schatten ein.

Ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Wie hingebungsvoll er das empfindliche Terrain erkundete, wie zärtlich und gleichzeitig männlich fordernd seine Bewegungen waren! Wann hatte er MICH zum letzten Mal so berührt?

Die Fingerkuppe näherte sich nun mit sinnlich kreisenden Bewegungen der Mitte: Behutsam tastete er sich näher, zögernd… ich hielt den Atem an. Jetzt begann der Finger fast unmerklich zu zittern, dann plötzlich zog Martin ihn mit einer abrupten Bewegung aus seiner Ohrmuschel zurück.

»Tja, ich muss dann mal los!«, erklärte er, schlug die Zeitschrift zu, in der er geblättert hatte, und stand vom Küchentisch auf. Mein Blick klebte immer noch an seinem Ohr, verirrte sich in all den zartrosa Hautfalten und schattigen Versenkungen, wanderte dann ungläubig hinab zu seiner Hand und wieder zurück, mitten in die samtbraunen Augen hinein, die mich jetzt irritiert musterten.

»Alles in Ordnung bei dir?«

Mein Gesichtsausdruck strahlte vermutlich den Scharfsinn einer dementen Kuh aus. Mit einem hastig gestammelten

»J…Ja klar« drehte ich mich schleunigst weg, in der Hoffnung, mein puterrot anlaufendes Gesicht vor Martin verbergen zu können. Hoffentlich hatte wenigstens mein Mund nicht offen gestanden.

Während ich eine Salatgurke in Scheiben schnitt, hörte ich, wie Martin im Flur seine Tanzschuhe einpackte und die Jacke anzog. Eine Duftwolke seines Parfüms waberte um die Ecke.

»Bin dann mal weg!« Sein schönes, ebenmäßiges Gesicht lugte zu mir herein, und ich inhalierte tief, als ob ich ihn damit näher zu mir heran ziehen könnte. Statt eines Abschiedskusses strich er mir mit den Fingerknöcheln kurz über die Wange und warf mir sein charmantes Lächeln zu, dann fiel die Haustür ins Schloss. Ich arrangierte die Gurkenscheiben in einem Schälchen und verscheuchte ärgerlich unseren Kater Orion aus der Spüle, wo er seiner Lieblingsbeschäftigung nachging und kleine Tropfen vom Wasserhahn abschleckte.

Vor kurzem hatte Martin noch einen zweiten Tanzkurs in unserem örtlichen Tanzsportverein übernommen und war jetzt schon mindestens zwei Abende in der Woche unterwegs. Als ehemaliger Turniertänzer war das für ihn ein willkommener Zeitvertreib, und seine Qualitäten als Trainer sollten wirklich gut sein, wie mir meine Nachbarin Cornelia immer wieder bestätigte. Sie hatte selbst einen Anfängerkurs bei ihm absolviert und war jetzt bei den Fortgeschrittenen am Donnerstag dabei. Für mich gab es leider nicht mehr so oft die Gelegenheit, in Martins Armen über das Tanzparkett zu schweben. Aber übermorgen, beim jährlichen Weihnachtsball des Vereins, würde ich endlich mal wieder in diesen Genuss kommen!

Nach dem Zubettbringen der Kinder blieb noch mindestens eine Stunde, bis Martin vom Tanzen zurück kommen würde. Genug Zeit, mich dem Berg seiner Hemden zu widmen, die gebügelt werden wollten. Egal ob von C&A oder von seinem Lieblingsdesigner Ormoni, sie waren alle weiß – Martin trug ausschließlich weiße Hemden. Aber ein so weit geschnittenes mit Schulterpasse und Pluster-Ärmeln wie damals war nicht mehr dabei.

 

Vor fast sieben Jahren hockte ich mit meiner alten Schulfreundin Simone in Köln an einem Biertisch inmitten von Luftschlangen und grölender maskierter Meute: Ich hatte das Bedürfnis gehabt, nach langjähriger Abstinenz mal wieder einen richtigen rheinischen Karneval zu zelebrieren und war eigens zu diesem Zweck aus München angereist, wo ich damals arbeitete.

Schon bevor das erste Bier geleert war, wurden wir auf die Tanzfläche gezerrt und von verschiedensten Gestalten herumgewirbelt. Ich landete etwas unsanft an der braungebrannten Brust eines hochgewachsenen Mannes mit weit aufgeknöpftem, mittelalterlich anmutendem weißem Flatterhemd. Ein männlich-herber Duft empfing mich und ich spürte warme, glatte Haut. Als ich meine Nase aus seinem Ausschnitt löste und entschuldigend nach oben blickte, begegneten mir zwei samtbraune Augen und lächelten freundlich auf mich herab. Sie befanden sich inmitten eines ungewöhnlich gut aussehenden Gesichtes: Mediterraner Typ, dunkle kurze Haare, am Kinn ein entzückendes Grübchen.

»Kannst du Cha-Cha-Cha?«, fragte er.

»Ein bisschen«, antwortete ich bescheiden. Und dann legten wir einen Cha-Cha-Cha hin, der sich gewaschen hatte. Mein Rock flog, dass es eine helle Freude war.

Bei der Rumba schaute er mir tief in die Augen. Großer Abstand zwischen uns, zarte Berührungen unserer Hände, die mich dennoch ganz genau spüren ließen, welche Figur er als nächstes wollte. Aus den Augenwinkeln nahm ich die fließenden Schwingungen seiner Hüften wahr, die sich in absolutem Gleichklang mit meinen bewegten. Die Spannung knisterte fast unerträglich, und ich erwartete schon sehnsüchtig das Ende des Tanzes, um wieder näher an ihn heranrücken zu können.

Nach einem fetzigen Jive, der mir den letzten Atem nahm, war die Band endlich so gnädig, einen Blues einzuschieben. Er zog mich nah an sich heran, und ich spürte die Hitze, die von seinem Körper ausging, die feuchte Haut unter seinem Hemd, die Wärme seiner Hand auf meinem Rücken. Ich roch seinen Duft, sog ihn gierig in mich hinein, während seine Wange meine Stirn berührte. Ich spürte seinen Atem an meinem Ohr und das Vibrieren seiner warmen Stimme, als er mich fest an sich gedrückt hielt. Und als er mich küsste, zerschmolz mein gesamtes Inneres zu einem lodernden Feuer; die Menge um uns herum verschwamm. Die Musik zerfloss und entfernte sich, und ich wünschte mir nur, dass dieser Augenblick nie, nie, niemals vorbeiginge.

 

Das letzte Hemd war gerade fertig, da hörte ich das Geräusch der Haustür.

»Hi.« Nachdem er seinen Mantel aufgehängt und seine Frisur im Flurspiegel kontrolliert hatte, drückte mir Martin einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Er roch nach Pfefferminz, Zigarettenrauch und seinem Parfüm. Zanni Diavoloff, immer noch das gleiche wie damals.

»Hallo, wie war’s?«, fragte ich.

»Nix Besonderes, wie immer. Alles klar bei dir?« Ohne meine Antwort abzuwarten, nahm er sich ein Bier aus dem Kühlschrank und verschwand im Keller. Dort hatte er sich sein Arbeitszimmer eingerichtet. Das heißt, er hatte unser Gästezimmer, in dem immer schon sein Computer gestanden hatte, ergänzt um einen riesigen Fernseher und einen ebenso überdimensionalen Fernsehsessel, so dass er ungestört vom Familienalltag seine Actionfilme anschauen konnte. Das in unserem Wohnzimmerregal dezent versteckte Fernsehgerät kam hingegen nur gelegentlich zum Einsatz – im Wesentlichen, um die Kinder einigermaßen wohldosiert mit pädagogisch unbedenklichen Sendungen zu versorgen.

Jetzt hörte ich jedenfalls von unten den Monsterfernseher brabbeln; eine Spur von Martins Duft hing noch im Treppenhaus. Von seinem Training hatte er gar nichts erzählt. Ich atmete tief aus, klappte das Bügelbrett zusammen, räumte es mit dem Bügeleisen ins Kämmerchen und trug Martins Hemden hoch ins Schlafzimmer.

 

Als wir uns damals nach unserer ersten Nacht am Kölner Bahnhof verabschiedeten, dachte ich, die Welt würde untergehen. Meine Abreise fühlte sich an wie eine Deportation nach Sibirien. Ob wir uns je wiedersehen würden?

»München ist doch nur vier Stunden von hier«, tröstete er mich. Dann holte er aus seiner Jackentasche eine kleine flauschige Giraffe hervor und drückte sie mir in die Hand. »Damit du mich nicht vergisst!« Auf der Zugfahrt hielt ich die Giraffe dicht an meine Nase, um den letzten Hauch seines Parfüms zu erhaschen.

 

Die kleine Giraffe stand immer noch auf meinem Regal im Schlafzimmer, mit einer zarten Staubschicht bedeckt. Duften tat sie schon lange nicht mehr, obwohl ich Martin damals bei unserem nächsten Wiedersehen genötigt hatte, sie mit seinem Zanni Diavoloff zu tränken, damit ich zwischen den Wochenenden möglichst lange daran schnuppern konnte.

Auch eng umschlungene Nächte hatte es seit einer Ewigkeit bei uns nicht mehr gegeben, dachte ich nun, als ich mich bettfertig machte. Der letzte Sex lag Wochen zurück und hatte mich nicht in sonderliche Euphorie versetzt. Normalerweise kam Martin irgendwann weit nach Mitternacht ins Bett; er schlief vorher immer schon eine Runde vor seinem Fernseher. Aber immerhin gab es als kleinen Lichtblick ja den Ball am Samstag. Wenn ich Glück hatte, würden wir einen wunderschönen Abend miteinander verbringen, von dem ich wochenlang zehren konnte.

Ich kuschelte mich an meine Wärmflasche, ließ die tröstlichen Erinnerungen an unsere Anfangszeit Revue passieren und versuchte zu schlafen.

 

Unter meiner gelassenen Fassade war ich total aufgeregt, als wir am Samstagabend das festlich geschmückte Gemeindehaus betraten. Martin sah wie immer fantastisch aus in seinem dunklen Abendanzug. Der Krawattenknoten saß perfekt und als i-Tüpfelchen glänzte eine sorgfältig drapierte Krawattennadel. Verstohlen begutachtete ich mich im Spiegel des Foyers und war erleichtert. Mein Push-Up, der heute wieder einmal zu Ehren kam, füllte prachtvoll, wo es mir an Füllung mangelte. Das Dunkelgrün meines weich fallenden Kleides unterstrich die Farbe meiner Augen und den rötlichen Schimmer in meinen Haaren, und meine Sommersprossen fielen jetzt im Winter kaum auf. Die ungewohnt schweren Ohrringe kitzelten an meinem Hals und verliehen meiner Kopfhaltung eine gewisse Anmut, fand ich. So muss das sein, dachte ich glücklich, genau so! Der attraktive und wohlgestaltete Geschäftsmann und Tanztrainer führt seine (einigermaßen) attraktive und (zumindest stellenweise) wohlgestaltete Ehefrau und treusorgende Kindsmutter aus, um mit ihr einen angenehmen Abend in gepflegter Atmosphäre zu verbringen und der ganzen Welt zu zeigen, wie so ein Traumpaar aussieht. Hunderte neidischer Augenpaare werden sich auf uns richten! Wenn ich Glück habe.

Ich hatte Glück. Martin gab sich aufmerksam, gönnte mir seinen ersehnten Charme und streichelte mich mit seinen samtbraunen Augen.

»Hübsch siehst du aus!«, flüsterte er lächelnd und hauchte mir einen Kuss auf die Wange. Er nahm mir den Mantel ab, geleitete mich in den Ballsaal und zu unserem Tisch. Nachdem wir uns mit dem vorgesehenen Abendprogramm vertraut gemacht hatten, bot er mir seinen Arm für den Rundgang, um weitere Gäste zu begrüßen. Lächelnd schwebte ich neben ihm her.

»Puh, hast du in deinem After Shave gebadet?«, fragte unsere Nachbarin Cornelia in ihrer direkten Art, als Martin ihr die Hand gab. Mein Lächeln gefror, doch Martin ließ sich nicht beirren.

»Riecht gut, ne?«, grinste er selbstgefällig zurück.

 Verwirrt blähte ich die Nasenflügel. Er trug tatsächlich eine ziemlich intensive Wolke mit sich herum. Wie immer eigentlich. Das sinnliche Zanni Diavoloff, nach dem schon bei unserer ersten Begegnung vor sieben Jahren alle meine Sachen gerochen hatten und das seitdem für mich zu Martin dazugehörte wie das entzückende Grübchen in seinem Kinn. Dass man sich an diesem Duft stören konnte? Nachdenklich schaute ich in sein Gesicht, während er mit Cornelia und ihrem Mann plauderte. Sein Lächeln wirkte ein wenig aufgesetzt, und seine Stimme war ein kleines bisschen zu laut. Wie immer, wenn er in der Öffentlichkeit auftrat.

Rechts neben seiner Nase entdeckte ich die Spuren meines Abdeckstiftes.

 

Mit dem Eröffnungstanz flogen all diese störenden Gedanken wieder aus meinem Kopf und ich gab mich selig Martins leitenden Armen hin. Mein Kleid wehte über das Parkett, die Wattepolster meines BHs drückten sich an Martins Brust und ich genoss die Blicke der anderen Ballgäste. Bis zur ersten Show-Einlage tanzte Martin ausschließlich mit mir, dann nahm er mich sogar mit an die Sektbar, um mit seinen Tanzkursteilnehmern zu plaudern. Anschließend drehte er der Reihe nach ein paar Runden mit seinen Tanzschülerinnen und überließ mich in der Zwischenzeit deren Partnern beziehungsweise den Herren an unserem Tisch. Auch mit der platinblonden Miriam zog Martin aufs Tanzparkett. Sie war tatsächlich allein gekommen und tanzte sich entsprechend durch die zur Verfügung stehenden Herren. Ein verdammt gut bestücktes Dekolleté hatte sie. Und zur Betonung hatte sie auch noch Body-Glitter über den Busenritz geschmiert, stellte ich leicht verärgert fest, als ich an der Bar ein paar nichtssagende Worte mit ihr wechselte. Andererseits, wenn ich mir ihr Gesicht anschaute, war sie keine wirkliche Schönheit. Zu kleine Augen, zu kantiges Gesicht und ein viel zu breiter Mund – hätte gut auf eine Reklametafel für Zahncreme gepasst, Marke Kraftvoll zubeißen.

»Darf ich bitten?«, riss mich eine vertraute Stimme aus meinen Gedanken. Martins jungenhaftes Lächeln war immer noch das gleiche wie damals bei unserem wundervollen ersten Tanz. Nur zu gern ließ ich mich in seine Arme ziehen, schmiegte mich an ihn und genoss mit allen Sinnen das Gefühl, im wortlosen Gleichklang mit meinem Mann über die Tanzfläche zu gleiten. Mein kurzer Unmut über das Busenwunder Miriam war komplett verflogen. Was sollte Martin auch von einer Blondine mit Panzerknacker-Kinn wollen?

 

***

 

»Wir müssen unbedingt mal wieder ausgehen«, stellte Simone fest, als wir nachmittags in meiner Küche saßen Du verkümmerst ja hier richtig in deinem Einfamilienhaus!«

Betroffen schaute ich sie an. Sah ich etwa verkümmert aus?

»Du weißt doch, wie kompliziert das immer ist mit Babysitting.«

»Kann denn Martin nicht mal abends die Kinder hüten?«

»Der hat doch immer so viel zu tun«, verteidigte ich ihn. »Und die paar Abende, die er mal zuhause ist, will ich ja dann auch nicht unbedingt weg sein. Aber es ist doch nicht so, dass ich nicht ausgehe! Samstag zum Beispiel waren wir erst hier auf dem Ball.«

»Ach ja, ein Ball!« Simones Ton klang fast ein wenig vorwurfsvoll. Dann sah sie mich nachdenklich an.

»Der wahre Sonnenschein ist eure Beziehung doch nicht mehr, oder?«

Ich blickte in meine Kaffeetasse. Milchschwaden waberten in der dunkelbraunen Flüssigkeit herum und lösten sich langsam auf.

»Hmm...«

»Martin ist ganz schön viel unterwegs, nicht wahr?«

Ich nickte schweigend.

»Ist bei ihm vielleicht was im Busch?«, argwöhnte Simone und ich hob erschrocken den Kopf.

»Nein, bestimmt nicht!«, beeilte ich mich zu protestieren. »Also… nein! Das – das glaub ich ganz sicher nicht.«

Ein flüchtiger Gedanke an Holz-vor-der-Hütten-Miriam huschte durch mein Hirn. Natürlich war da ein ganz klein wenig Misstrauen. Es konnte immer etwas passieren, das wusste ich aus eigener Erfahrung. Da brauchte ich mich nur an den knackigen Bademeister zu erinnern.

Der war mir vor einem halben Jahr begegnet, als ich mit Ronja und Leonie ein neues Freibad im Kölner Süden ausprobierte. Geschorener Kopf, durchtrainierter Körperbau, muskulöse Oberarme. Nur mit weißen Shorts und eng anliegendem Polohemd bekleidet, so dass die ganze braungebrannte Pracht gut zur Geltung kam. Als Ronja auf dem glitschigen Boden ausrutschte und sich den Zeh blutig schlug, bot sich mir die willkommene Gelegenheit, die sanitäterische Hilfe dieses attraktiven Bademeisters in Anspruch zu nehmen. Fachmännisch und mit unmissverständlichen Seitenblicken auf das, was sich unter meinem Badeanzug befand, verband er ihren Fuß, während ich aus nächster Nähe den Tanz der Muskeln auf seinem breiten Rücken verfolgte und mir fast schwindlig wurde vom Geruch des Testosterons, das ihm förmlich aus allen Poren quoll. Mein Blick verfing sich im dichtgelockten Brusthaar, das sich mir gierig aus dem Ausschnitt seines T-Shirts entgegen reckte, die wildesten Gedanken sprudelten mir aus allen Synapsen, und ich erkannte mich selbst kaum wieder, wie ich den Sanitätsraum im Geiste in eine Höhle verwandelte, in der er hemmungslos über mich herfiel. Als ich nach Fertigstellung des Verbandes mit Ronja und Leonie zu unserem Platz zurückkehrte, konnte ich deutlich seinen prickelnden Blick im Rücken spüren, der eine ungeahnte Lebendigkeit unter meinem Badeanzug erzeugte. Die ganze kommende Woche hatte ich mich nachts mit aufregenden Träumen unruhig herumgewälzt und konnte es kaum erwarten, wieder das Schwimmbad aufzusuchen.

 

»Habt ihr denn noch Sex?«, fragte Simone geradeheraus. Hmmm, Sex! In Gedanken war ich noch ganz bei meiner Bademeister-Testosteronschleuder.

»Und? Habt ihr?« Sex mit Martin. Haben wir?

»Na ja, so ab und zu schon.«

»Also nicht«, stellte Simone fest. Die Nacht vor ein paar Tagen kam mir in den Sinn, aber das war irgendwie nicht so berühmt gewesen. Daher schwieg ich diskret.

 

Eine Woche später war ich mit den Mädchen wieder in besagtem Freibad gewesen. Diesmal trug ich meinen Bikini mit Wattepolstern, zog den Bauch ein und drapierte alles, was ich an mir vorzeigbar fand, so graziös wie möglich am Rand des Kinderbeckens, während ich mit klopfendem Herzen Ausschau nach dem appetitlichen Bademeister hielt. Vergeblich, zunächst. Natürlich erschien er genau in dem Moment, in dem ich prustend mit angeklatschten Haaren von einer Rutschpartie mit Leonie aus dem Wasser auftauchte, mir höchst ungraziös die geröteten Augen rieb und meine Bikinihose aus der Poritze zupfte. Er stand am Beckenrand, diesmal sogar mit freiem Oberkörper, und lächelte mich an. Mein Blick blieb an seinem dichten Brustfell hängen, während er sich nach dem Wohlergehen von Ronjas Zeh erkundigte. Die Behaarung verdichtete sich zum Brustbein hin und formte eine breite Linie, die über stramme Bauchmuskel-Wellen zielstrebig nach unten wies. Anschließend verwirbelte sich die Spur wieder, tobte in wüster Zügellosigkeit um den dunkel schimmernden Bauchnabel und tauchte dann in die Tiefen seiner weißen Shorts. Mir wurde heiß…

 

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Ende der Leseprobe

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